Die Weiterentwicklung des Dorfes im 19. Jh.
Die Agrarrevolution, Bauernbefreiung, Ablösung und Verkoppelung
Im 19. Jahrhundert kam diese erstarrte ländliche Welt endlich in Bewegung.
Unter dem Einfluss der Aufklärung wurden die veralteten, aus dem Mittelalter überlieferten ländlichen Strukturen in Frage gestellt. Zwei große Agrarreformen sollten die Missstände beseitigen und den Weg in die Moderne ebnen – die Verkoppelung und die Ablösung der grundherrschaftlichen Rechte.

Plan des Dorfes 1840, die alte Struktur des Dorfes ist kaum noch zu erkennen.
Bild: Archeokit.
Die Verkoppelung
Zunächst ging es darum, die Agrarfläche neu zu ordnen. Die Parzellen waren zu zahlreich, zu klein, und manchmal schwer zugänglich. Mit der sogenannten Verkoppelung sollte das Land umgruppiert werden, damit die Parzelle größer und durch ein Netz von befestigten Wegen direkt erreichbar war. Außerdem sollten die gemeinschaftlich genutzten Landflächen aufgelöst und gerecht verteilt werden.
Gemeinheitsteilung und Verkoppelung fanden in der Region ab 1820 statt. Vastorf war eines der ersten Dörfer, das davon profitierte (1828). In Gifkendorf zog sich die Angelegenheit aus unerklärlichen Gründen jedoch in die Länge. Vielleicht hatte man Angst vor dem Fortschritt. Außerdem musste für die vorgeschlagene Verteilung ein Bauernhof zerstört werden, der direkt an der neuen Zufahrtsstraße zum Dorf lag. 1848 war der Prozess in Gifkendorf abgeschlossen. Gifkendorf war eines der letzten Dörfer in der Region, das die Neuordnung einführte.
Die zweite große Reform zeichnete sich Anfang der 1830er Jahre ab (Ablösungsgesetz 1831, Ablösungsordnung 1833) und dauerte 30 bis 40 Jahre bis zu ihrem Abschluss. Es ging darum, die völlige Abhängigkeit vom Grundherren zu beenden. Die Bauern konnten sich von allen Steuern und Dienstverpflichtungen befreien und das Land, das sie bewirtschafteten, kaufen. So konnten sie nach Belieben darüber verfügen: kaufen, verkaufen, verpachten, verpfänden. Auf diese Weise war eine gewisse wirtschaftliche Flexibilität gewährleistet.
Der Widerstand des Landadels war sehr groß, denn er hatte Angst, ruiniert zu werden und seinen Einfluss zu verlieren. Schließlich wurde entschieden, dass der Kaufpreis für Land 25-mal so hoch war, wie die jährliche Abgabe. Um diese Reform im Königreich Hannover zu finanzieren, wurde 1842 die Hannoversche Landeskreditanstalt gegründet. Sie gab in den 1870er Jahren bekannt, dass 3/4 des Landes von den Besitzern zurückgekauft werden konnte. Wie diese Reform in Gifkendorf umgesetzt wurde, ist nicht bekannt, ebensowenig, wer für die Ablösung auf einen Bankkredit zurückgreifen musste. Die Gifkendorfer Höfe konnten sich erst in den 1870er Jahren freikaufen.
Einer der wichtigsten Faktoren, die diese Agrarreform begleiteten, war der technische Fortschritt. So wurden die landwirtschaftlichen Geräte immer leistungsfähiger, schneller und effizienter und es wurde mehr Platz für die Nutzung und Lagerung benötigt; parallel dazu wurde der Kunstdünger erfunden, dessen Gebrauch sich rasch verbreitete. Der Landwirt war nun nicht mehr auf die geringe Produktion von natürlichem Dünger des eigenen Viehs angewiesen und dies ermöglichte ihm, größere Flächen zu bewirtschaften.

Eines der ältesten Wohngebäude von Gifkendorf. Das Haus war im 19. Jh. Hirtenhaus, dann Armenhaus, dann im 20 Jh. Gemeinschaftshaus (Bild: Archeokit).
Es waren also diese drei Elemente, die die Agrarwelt revolutionierten und Gifkendorf zu einem neuen Aufschwung verhalfen.
Zunächst wurden mehrere neue Bauernhöfe gegründet. Der Großteil der landwirtschaftlichen Fläche blieb in den Händen der sechs größten Bauern, aber einige Parzellen wurden verkauft, so dass am Vorabend des ersten Weltkriegs neben den sechs ursprünglichen Höfen noch fünf weitere in Gifkendorf gegründet wurden (ein sechster Hof wurde 1874 an die Gemeinde Vastorf zurückgegeben). Es handelte sich um Kleinbauern, die oftmals die jüngeren Brüder der Gifkendorfer Bauern waren. In der Regel betrieben sie auch ein Handwerk (Rademacher, Schuhmacher, Schneider) oder eine andere wirtschaftliche Tätigkeit (Gastwirtschaft). 1914 zählte Gifkendorf etwa 15 bewohnte Gebäude und 112 Einwohner.
Die meisten dieser Höfe siedelten sich im Norden des Dorfes an, das sich um die Straße nach Vastorf herum stark vergrößerte. Einige Gebäude, insbesondere die erste Gastwirtschaft in Gifkendorf, wurden zwischen 1840 und 1880 auch außerhalb des Dorfes entlang der Straße nach Aljarn errichtet. Auch der Dorfkern erlebte einige Veränderungen: die Bauernhöfe wuchsen und es wurden zusätzliche Gebäude errichtet. Zwei der sechs Bauernhöfe wurden in dieser Zeit abgerissen und aus praktischen Gründen außerhalb des Dorfes wieder aufgebaut. Die alte Rundling-Struktur des Dorfes wurde dadurch völlig verändert und verschwand endgültig. Es entstand ein neuer Dorfplatz, den die Bauern Anfang des 20. Jhs. mit Bäumen als solchen umgestalteten.

Plan des Dorfes 1880, das Dorfzentrum hat sich verschoben (Bild: Archeokit).