Die Nachkriegszeit und die Zeit der Flüchtlinge
Die Zwischenkriegszeit war für das Dorf der Anfang einer Phase von Krise und Stagnation. Das Dorf entwickelte sich in dieser Zeit nicht weiter. 1939 gab es weiterhin 16 Gebäude und 97 Einwohner, aber nach dem zweiten Weltkrieg mit seinen zahlreichen Flüchtlingen verdreifachte Gifkendorf seine Einwohnerzahl – allerdings zunächst ohne Neubauten.
Viele Einwohner bekamen eine kleine Fläche für den Gartenbau zugewiesen, um ihren Lebensunterhalt einigermaßen bestreiten zu können. Entlang der Straße nach Aljarn entstanden zahlreiche Baracken und Gartenhäuser, die Gifkendorf ein völlig neues Aussehen verliehen.

Wohngebäude an der Straße nach Aljarn. Die drei Häuser wurden Ende der 1950er Jahre im Rahmen des Lastenausgleich-Gesetzes für Flüchtlingsfamilien erbaut.
Während einige dieser Familien das Dorf schließlich verließen, entschieden sich andere zu bleiben. Die meisten dieser Familien hatten während des Krieges und der Flucht vor den Russen alles verloren. Ab 1952 ermöglichte das Gesetz über den Lastenausgleich, dass die Flüchtlinge zumindest teilweise entschädigt wurden. Die zur Verfügung gestellten Darlehen ermöglichten es ihnen, Land zu kaufen und den Bau von Häusern zu finanzieren. In den 1950er und 1960er Jahren erlebte Gifkendorf einen enormen Aufschwung. Entlang der Wege nach Aljarn und Rohstorf wurden etwa acht neue Wohnhäuser errichtet. Im Jahr 1970 gab es in Gifkendorf 26 Gebäude und 160 Einwohner. Zu dieser Zeit war das Dorf noch überwiegend ländlich geprägt, es gab 8 landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe und 3 Nebenerwerbsbetriebe.

Plan des Dorfes 1960. Zum Dorf gehören zu dieser Zeit 21 Wohngebäude.
Von Stadtbewohnern und schönen Pferden
Seit den 1970er Jahren erfährt Gifkendorf eine ganze neue Entwicklung, die bis heute andauert und das Erscheinungsbild des Dorfes vollständig verändert hat. Drei Aspekte, die eng miteinander verknüpft sind, bestimmen dieses Bild:
- Der allmähliche Verlust der landwirtschaftlichen Prägung des Dorfes
- Der Zuzug von Menschen aus der Stadt
- Die Entstehung einer neuen Leidenschaft für Pferde
1970 gab es zwar noch mehrere Höfe im Dorf, aber einige Landwirte hatten ihren Betrieb schon aufgegeben, und immer weniger Landarbeiter wurden gebraucht. Freie Räume und günstige Immobilien eröffneten neue Perspektiven für Menschen, die aus der Stadt kamen.
So erwarb der Hamburger Verleger Andreas J. Meyer (Merlin Verlag) auf der Suche nach bezahlbarer Lagerkapazität 1970 schließlich den gesamten Hof 3/38.
Der Lüneburger Staatsanwalt Kuntze und seine Familie richteten sich ebenfalls zu dieser Zeit in Gifkendorf ein und übernahmen den Hof 2/24. Andere folgten diesem Beispiel: die Hamburger Psychologin Helga Langer, der Hamburger Privatgelehrte Claus Ottmüller und das Ehepaar Stein, das 1974 das Redaktionsbüro Stein (Publikationen in Gartenkunde) in Gifkendorf gründete.

1970: A. J. Meyer und sein Merlin Verlag richten sich in Gifkendorf ein. Er ist einer der ersten Städter, die sich in Gifkendorf niederlassen. Ein Trend, der bis heute anhält und dem Dorf ein neues Image verleiht (Bild: Familie Meyer).
Die Nähe zu Erholungs- und Naturflächen (Wald, Kanal, …) und das Leben in einem kleinen, lebendigen, schönen Dorf sowie der kurze Weg nach Lüneburg waren damals wie heute besonders reizvoll für zugezogene Städter.
Heute, im Jahr 2023, scheint diese Entwicklung vorerst abgeschlossen. In den 2000-2010er Jahren haben fast alle landwirtschaftlichen Betriebe ihre Tätigkeit eingestellt. Die Flächen wurden verkauft oder verpachtet, und in jedem Fall sind uns die Treckerfahrer, die durch das Dorf fahren, nicht mehr bekannt. Heute beleben Zugezogene, überwiegend aus der Stadt Hamburg, durch die Übernahme von älteren Gebäuden oder Neubauten das Dorfgeschehen.

Plan des Dorfes 2023, das Dorf zählt heute ca. 50 Wohngebäude, Bild: Archeokit.
Glücklicherweise gibt es noch eine letzte Erinnerung an das landwirtschaftliche Leben im Dorf: die Leidenschaft für Pferde.
Früher gab es auf jedem der Höfe Pferde für den Betrieb. Ein Pferd war das wertvollste Tier des Hofes und jeder Bauer verfügte über ein bis zwei Pferde. Pferde sind schneller als Ochsen, wenn auch nicht so leistungsstark. Aber Pferde wurden nicht nur als Zugtiere verwendet, sondern auch als Reittiere, so wie wir es Bildern der Familie Rathje (Hof 9/15) um 1920 entnehmen. Die letzten Arbeitspferde verschwanden wegen der zunehmenden Motorisierung von Gifkendorf in den 1960er Jahren. Doch blieb das Pferd Symbol des Reichtums für die Landwirte.

Schon in den 1920er Jahren wurde gern in Gifkendorf geritten. Heinrich Rathje und seine Töchter, die im Damensitz reiten, wie es damals üblich war (Bild: Familie Persiehl-Schultz).
In den 1970ern belebten mehrere Familien die Tradition der Pferdehaltung im Dorf, zunächst als privates Hobby. Die Nähe zum Wald und die sanften Sandwege bildeten ideale Bedingungen für Reitwanderungen.
Es entwickelten sich im Laufe der Jahre richtige Pferdehöfe im Dorf, die von der Stilllegung von Ackerflächen profitierten: Hansen (8/6), der wunderbare Frisen züchtete, oder das Gestüt Julienhof (/66), das einen Teil der Ackerflächen von Hof 1/22 erwarb, nachdem dieser den landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben hatte. Der Julienhof verfügt heute über eine beeindruckende Infrastruktur (große Pferdekoppel, Stallgebäude und Reithalle) und hat sich auf die Zucht von Hannoveraner-Dressurpferden spezialisiert.
Seit einigen Jahren erlebt Gifkendorf einen neuen Aufschwung. Durch den Zuzug mehrerer junger Familien mit Kindern hat sich das Gesicht des Dorfes verjüngt, Gifkendorf zählt 2023 ca. 50 Wohngebäude und 128 Einwohner – dieser Bevölkerungszuwachs eröffnet ein neues Kapitel in der Dorfgeschichte. Ein Kapitel, das noch zu schreiben ist.

Bevölkerungstruktur nach Alter der 129 Einwohner-Innen von Gifkendorf 2023 (Landesamt für Statistik Niedersachsen)